Freitag, 12. September 2008

Schwangere Frauen im Amt

Schwanger im Krisengebiet
Die spanische Ministerin Carme Chacón weitet mit ihrem Bäuchlein symbolische Grenzen aus - Aber leider durch die Anpassung an hegemoniale Maßstäbe - ein Kommentar
Die neue spanische Regierung sorgt weiterhin für Schlagzeilen: Nicht nur, dass das Zapatero-Kabinett erstmals mit mehr Frauen als Männern aufgestellt ist, nun fährt auch noch die Verteidigungsministerin (!) Carme Chacón im siebten Monat schwanger (!!) auf einen Truppenbesuch nach Afghanistan.

Laut Presseberichten wird die 37-Jährige Neo-Ministerin von einem medizinischen Team samt Frauenarzt begleitet - für die Gesundheit der werdenden Mutter ist also gesorgt. Spanische Rundfunksender gaben zu bedenken, dass sich Chacón auf das bisher beispiellose Manöver eingelassen hat, um Kritiken entgegenzutreten, ihre Schwangerschaft würde sie "an der Ausübung ihres Amtes hindern".

Fortschrittliche Personalpolitik

Zweifellos, die spanischen Sozialdemokratinnen weiten mit ihrer Personalpolitik symbolische Grenzen aus. Ihre Besetzung soll zeigen, dass Frauen - auch wenn sie gerade ihre reproduktiven Möglichkeiten wahrnehmen - befähigt sind, einer der letzten Männerbastionen als Chefin vorzustehen. Die Motivation dieser Aktion kann also durchaus als emanzipatorisch bezeichnet werden.

Allerdings sind an diese Inszenierung noch andere Konsequenzen geknüpft, die kritisch betrachtet werden sollen. Argumente dafür liefert zum Beispiel ein feministischer Strang, der Frauen ungern im Dienste militärischer also potentiell kriegerischer Politikbereiche zu Gange sieht. Nur um die Frage, ob es moralisch-ethisch oder auch feministisch zu vertreten ist, wenn emanzipierte Frauen zu Repräsentantinnen der Waffenlogik werden, soll es an dieser Stelle nicht gehen.

Beleuchtet werden soll vielmehr, welche Auswirkungen für Gleichbehandlungsfragen zu erwarten sind, wenn sich eine 37-jährige Frau in Ausübung ihres politischen Amtes verpflichtet fühlt, im siebten Monat ihrer Schwangerschaft unter enormen gesundheitlichen Risiken in ein Krisengebiet zu reisen.

Weg des Beweis-Führens

Was Carme Chacón hier tut, ist Beweis-Führen. Der Gesellschaft soll vor Augen geführt werden, dass Frauen auch schwanger leistungsfähig und risikobereit ihren Job erfüllen. Zweifellos gibt es in dieser Gleichheitsdimension noch einiges an Vorurteilen aus dem Weg zu räumen. Unhinterfragt bleibt dabei jedoch der gesellschaftliche Maßstab, der diese "Leistungsfähigkeit" und "Risikobereitschaft" überhaupt erst sichtbar und erforderlich macht: Es ist zum einen ein Maßstab, der von Männern geprägt wurde, einer Gruppe also, die bekanntermaßen nicht schwanger werden kann. Zum anderen setzt er die zunehmens entgrenzte Verausgabung von Menschen im Berufsleben voraus, die im Dienste eines fragwürdigen Leistungsbegriffs ohne Rücksicht auf die gesundheitlichen Kosten durchgesetzt wird. Trotzdem wird er von einer emanzipierten Frau selbst als Handlungsanleitung und Referenzpunkt herangezogen.

"Emanzipiert" ist Carme Chacón nach herkömmlichen und auch etablierten Kriterien allemal. Es wäre respekt- und darüberhinaus sinnlos, ihr diese Bezeichnung nicht zuzugestehen. Durch dieses Zugeständnis wird aber auch klar, dass "emanzipiert" nicht mehr das kritische Potential hat, welches ihr die zweite Frauenbewegung einst mitgegeben hat: Nämlich den Willen, die gesellschaftlichen Verpflichtungen um die Bedürfnisse der Menschen zu organisieren, anstatt wie bisher umgekehrt. Carme Chacón symbolisiert, dass sich diese Logik auch unter zunehmender Beteiligung von Frauen nicht gewandelt hat. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 22.4.2008)

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